Tunnel Boyneburg an der Autobahn 44

Längsentwässerung mit monolithischen Stahlbetonschächten

Kassel/Herleshausen (ABZ). – Eines der letzten Verkehrsprojekte "Deutsche Einheit", das am 9. April 1991 beschlossen wurde, ist der Bau der BAB 44, die zwischen Kassel und Herleshausen eine Lücke im Netz der Bundesautobahnen auf der Achse Ruhrgebiet–Kassel–Dresden zwischen der A 7 bei Kassel und der A 4 bei Wommen schließen soll. Der Neubau umfasst zwölf Abschnitte.
Brückenbau
Die beiden Röhren am Südportal des Tunnels Boyneburg an der Autobahn 44 bei Sontra. Foto: Finger Baustoffe

Innerhalb des 3. Bauabschnittes, der von der Ortschaft Wehretal-Oetmannshausen in südlicher Richtung, östlich der Bahnlinie Göttingen–Bebra und der B 7/B 27 dem Sontratal folgend verläuft, wird seit März 2019 zwischen der Anschlussstelle Ringgau und der Anschlussstelle Sontra-West der Tunnel Boyneburg zur Entlastung der Ortschaft Wichmannshausen errichtet. Bei der Längsentwässerung beider Röhren kommen monolithische Stahlbetonschächte von der Finger-Beton Unternehmensgruppe (Finger) aus dem Werk in Sonneborn zum Einsatz, die laut Hersteller einige besondere Vorteile bieten.

Neben der Züblin-Direktion Tunnelbau, die bei diesem Projekt als Generalunternehmer beauftragt wurde, sind auch die Strabag-Direktionen Großprojekte Süd-Ost und Abdichtung sowie der Züblin Spezialtiefbau an der Bauausführung beteiligt. Der zweispurigen Autobahntunnel ist etwa 1,7 km lang – davon werden jeweils rund 40 m in offener Bauweise hergestellt. Der Rest wird in bergmännischer Bauweise errichtet. Der Abstand der beiden Röhren voneinander beträgt 25 m von Achse zu Achse.

In den nördlichen Eingangsbereichen wird, bedingt durch die Nähe der Ausfahrt Ringgau zum Tunnelportal, die Ein- beziehungsweise Ausfädelungsspur in den bergmännischen Bereich verlegt. Hier wird auf etwa 200 m Länge ein dreispuriger Tunnelquerschnitt mit einer lichten Weite von 14,42 m hergestellt. Die sicherheitstechnischen Anforderungen der RABT fordern zusätzlich zwei Pannenbuchten je Röhre mit einer Länge von 62,5 m sowie fünf Querschläge. Ein wichtiger Aspekt nach Fertigstellung der Tunnelröhren und vor Ausbau der Fahrbahnen war die Tunnellängsentwässerung.

Entwässerung über Gussrohre

Das Entwässerungssystem sieht auf seiner gesamten Länge lediglich die Ableitung des Schleppwassers von Fahrbahnen und Gehwegen sowie von Löschwasser im Havariefall vor. Die anfallenden Flüssigkeiten werden dabei zunächst in den seitlich verlaufenden Schlitzrinnen gefasst und von dort alle 50 m über Tauchwandschächte in die Schächte der Tunnellängsentwässerung mit angeschlossenen Gussrohren DN 400, die unterhalb der Fahrbahn verlaufen, geleitet. Über diese gelangen sie in das am Tunnelvorfeld Nord gelegene Havariebecken.

Unmittelbar neben den Gussrohren verläuft eine Drainageleitung DN 150. Für die 70 geplanten Sonderschächte zum Havariebecken mit zwei Durchgangsleitungen (1x offenes Gerinne DN 400 und 1x geschlossenes Gerinne DN 150 mit Revisionsöffnung) und die 34 Schächte mit einem abgewinkelten offenem Gerinne für die Regenwasserführung durch den Tunnel, bestanden so hohe Anforderungen, dass diese in konventioneller Herstellung vor Ort durch den Bauunternehmer nur mit einem sehr hohen Aufwand hätten realisiert werden können.

Geplant war unter anderem eine einteilige achsversetzte Drainagespüleinheit aus Edelstahl V4A welche über die Außenwand des Schachtunterteils heraussteht. Aus praktischen Erwägungen hatten sich die Verantwortlichen für eine individuelle Fertigteillösung entschieden, welche keinerlei weiteren bauseitigen Zusatzarbeiten mehr erforderlich machen – denn jeder der beiden Tunnelröhren muss für Kontroll- und Reinigungszwecke der Längsentwässerung alle 50 m ein Schacht eingebaut werden.

Insgesamt werden in beiden Röhren 104 Schächte verbaut. Nach herkömmlicher Bauweise wären deutlich mehr Arbeitsschritte erforderlich gewesen, um die Entwässerungsleitung herzustellen. Ein wirtschaftlicher und schneller Bauablauf wäre so nicht möglich gewesen. Aus diesem Grund entschieden sich die Fachleute, statt der vor Ort hergestellten Schächte für Längsentwässerung und Sickerleitung, Schächte in Fertigteilbauweise einzusetzen.

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Monolithischer Schacht: Sowohl der Grundkörper als auch das Gerinne wurden aus einem Guss in der Betonqualität C40/50 hergestellt und weisen laut den Verantwortlichen somit eine gleichbleibende Qualität auf. Foto: Finger Baustoffe

Edelstahl-Drainageleitung

Produziert wurden die Schächte in Zusammenarbeit von der Finger Baustoffe GmbH und der Finger Beton GmbH & Co. KG aus dem Thüringischen Werk in Sonneborn als Capitan-Schacht. Mit diesem Produktionsverfahren lassen sich Schachtunterteile monolithisch herstellen. Eine individuelle Anpassung der Gerinne nach Gefälle, Durchmesser, Neigungen und Winkel sei dabei ohne Probleme möglich. Auch unterschiedliche Neigungswinkel der Einläufe zum Auslauf und Flankenwinkel können individuell gestaltet werden.

Verkaufsberater Marcel Hellmund schildert die Vorteile des Schachtsystems: "Die hier eingesetzten Schächte für die Längsentwässerung wurden in monolithischer Bauweise gefertigt. Dies bedeutet, dass sowohl der Grundkörper als auch das Gerinne aus einem Guss in der Betonqualität C40/50 hergestellt wurden und somit eine gleichbleibende Qualität aufweisen", sagt der Experte und fährt fort:

"Aus Feuerschutzgründen und dem Schutz vor chemischem Angriff, sind die Schächte zusätzlich dreifach mit Epoxid beschichtet. Entscheidender Vorteil ist, dass das Schachtsystem einerseits ein offenes Gerinne für die Tunnellängsentwässerung und andererseits ein geschlossenes Gerinne für die Tunnelsickerleitung ermöglicht. So laufen beide Medien getrennt, können aber separat gewartet werden. Gelöst haben wir dies in Abstimmung mit dem ausführenden Spülbetrieb über eine verschraubte Reinigungsöffnung über dem Zugang zur Sickerleitung."

Für eine gute Dichtheit sind alle Schachtfutter werkseitig mit passenden öl- und benzinbeständigen NBR-Dichtungen ausgestattet. Für die Tunnelsickerleitung verfügen die Schächte über fest einbetonierte Edelstahlrahmen mit integrierter öl- und benzinbeständiger Dichtung und passenden, fest verschraubten Edelstahlabdeckungen.

Die Schächte wurden mit einem speziellen Schachtfutter gefertigt. Nach dem Tunnel Trimberg ist dies die zweite Maßnahme, die Strabag auf der A 44 mit Betonschächten aus dem Hause Finger realisiert. Mit der Qualität waren die Ausführenden bei beiden Maßnahmen nach eigener Aussage sehr zufrieden, die Zusammenarbeit lief professionell ab und auch in der Planungsphase wurde die Strabag seitens des Betonherstellers unterstützt.

Nach derzeitigen Angaben werde der Neubau der A 44 von Kassel nach Herleshausen bei Eisenach nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Tunnel und Brückenbauwerke in Summe mehr als 2,4 Milliarden Euro kosten. Damit gilt das 70 km lange Autobahnstück als die "teuerste Autobahn der Welt" heißt es seitens der Verantwortlichen.

Zumindest die Tunnelentwässerungen wurden qualitativ so hochwertig angelegt, dass diese über einen sehr langen Zeitraum halten werden. Voraussichtlich im Jahr 2032 soll das letzte Teilstück zwischen Kassel und Helsa für den Verkehr freigegeben werden.

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