Baurecht
Widerrufsrecht auch bei Werkverträgen
von: Rechtsanwalt Philip PürthnerOhne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung beträgt die Widerrufsfrist für den Verbraucher sogar 1 Jahr und 14 Tage ab Vertragsschluss. Es stellt sich die Frage, ob dieses Widerrufsrecht auch bei einem Werkvertrag mit einem Bauunternehmer/Architekten Anwendung findet. Die Antwort ist eindeutig zu bejahen, mit erheblichen Rechtsfolgen für den Unternehmer, wenn er nicht ausreichend über das Widerrufsrecht belehrt hat.
Bei unterlassener Widerrufsbelehrung verliert der Werkunternehmer ggfs. den Anspruch auf seinen Werklohn und der Auftraggeber kann alle bereits getätigten Zahlungen vollständig zurückfordern. Zumeist hat der Werkunternehmer keine Möglichkeit, entgangenen Gewinn oder eine Aufwandsentschädigung zu fordern. Dies gilt im Übrigen auch für Architekten. Für jeden Architektenvertrag, den der Architekt mit einem Verbraucher außerhalb seiner Geschäftsräume oder im Rahmen eines sogenannten Fernabsatzvertrages abschließt, besteht ein Widerrufsrecht.
Es besteht auch für den Architekten die Gefahr, dass bereits erbrachte Leistungen nicht honoriert werden und schon erhaltene Honorare zurückzuerstatten sind. So hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 17.07.2018, Az.: 10 U 143/17, entschieden, dass der Verbraucher einen ohne Widerrufsbelehrung versehenen Vertrag noch Monate später widerrufen konnte und deshalb bereits erbrachte Leistungen nicht zu honorieren waren. Der Architekt hatte einen Honoraranspruch in Höhe von über 55.000 Euro geltend gemacht, der ihm nicht zugesprochen wurde. Auch das OLG Köln hatte mit Beschluss vom 23.03.2017, Az.: 16 U 153/16, in einem vergleichbaren Fall zu Lasten des Architekten entschieden.
Ausnahmen sieht der Gesetzgeber vor. Bei Verträgen, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um beispielhaft dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen, gilt eine Ausnahme vom Widerrufsrecht. Ausnahmen gelten beispielhaft auch bei der "Lieferung von Waren", die nach Kundenspezifikation gefertigt sind. Verbrauchern steht in einem solchen Fall ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht zu, § 312 GBGB. Doch selbst hiervon gibt es eine Ausnahme, und zwar dann, wenn nicht die mit Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz im Vordergrund steht, sondern die Herstellung eines funktionstauglichen Werks. So hat der BGH im Urteil vom 20.10.2021, Az.: I ZR 96/20, entschieden.
Praxistipp
Infolge der Gefahr beachtlicher wirtschaftlicher Folgen ist auch der einen Werkvertrag abschließende Unternehmer/Architekt gehalten, im Rahmen der Anbahnung des Rechtsgeschäftes beziehungsweise beim Vertragsabschluss darauf zu achten, dass eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erfolgt ist oder ob ggfs. Ausnahmetatbestände geschaffen sind. Zur eigenen Rechtssicherheit ist die eigene Auftragspraxis zu überprüfen und ggfs. rechtlicher Rat einzuholen.
Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden
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