Rechteck
Mikrobiologischer Bewuchs auf Fassaden als Baumangel?
Das OLG Frankfurt hat mit Beschluss vom 07.07.2010 Verfärbungen auf einer Wärmedämmverbund-Fassade durch Algenbefall als Baumangel deklariert. Wenn eine Wärmedämmverbund-Fassade während der Gewährleistungszeit großflächigen Algen- und Pilzbewuchs aufweise, sei diese selbst dann mangelhaft, wenn die verwandten Systemkomponenten, insbesondere der mineralische Putz, mangelfrei ist. Neuere Entscheidungen gibt es hierzu nicht.
Gleichwohl wird die juristische Bewertung des mikrobiologischen Bewuchses von Fassaden zunehmend kontrovers diskutiert. Anknüpfungspunkt ist, dass die Mangelhaftigkeit einer Sache grundsätzlich nicht an die dauerhafte Haltbarkeit der Sache geknüpft werden könne. Die Haltbarkeit einer Fassadenbeschichtung sei jedoch unter dem Gesichtspunkt der Bewuchsfreiheit technisch nicht nachvollziehbar und gebe es dafür auch keine festgelegten Regelungen. Nichts anderes ergebe sich aus den technischen Merkbildern der Verbände und der Herstellerindustrie.
Es ist aus der juristischen Praxis ganz eindeutig zu erkennen, dass immer mehr Sachverständige der derzeitig noch vorherrschenden juristischen Einordnung versuchen, entgegenzuwirken. Selbstverständlich ist der Sachverständige zu einer rechtlichen Beurteilung weder befugt noch berufen. Rechtsfragen sind ausschließlich vom Gericht und ggfs. auf einer vom Sachverständigen ermittelnden Tatsachengrundlage zu beantworten. Es ist zur Überzeugung des Unterzeichnenden nur eine Frage der Zeit, dass auch die Gerichte Algen- und Schimmelbefall auf Wärmedämmverbund-Fassaden einer anderen Bewertung zuführen.
Praxistipp: Es gibt vielfältige Ursachen für das Wachstum von Algen und Pilzen. Es gibt zur Erhöhung des Schutzes gegen mikrobiologischen Bewuchs verschiedene Lösungsansätze, die bei einer werkstoffgerechten Detailplanung beginnt. Nachdem Umweltschutz einen immer größeren Stellenwert in der Gesellschaft einnimmt, ist der Einsatz biozider Schutzmittel mit dem Aufraggeber abzustimmen. Ein Hinweis auf den Einsatz oder den Verzicht solcher Mittel sollte vorab mit dem Auftraggeber erörtert werden.
Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden